DIE NEUE LEONHARD-FRANK-STIPENDIATIN 2024 IST ANNIKA HENRICH

Förderung für zeitgenössische Dramatik am Mainfranken Theater
Die neue Leonhard-Frank-Stipendiatin des Mainfranken Theater Würzburg steht fest: Die Jury, bestehend aus der Autorin Felicia Zeller, Schauspieldirektorin Barbara Bily, der Schauspieldramaturgie und den Schauspieler:innen Eva-Lina Wenners und Nils David Bannert, wählte unter zahlreichen internationalen Einsendungen Annika Henrich als Leonhard-Frank-Stipendiatin 2024 aus.

In ihrer Laudatio auf die neue Stipendiatin schreibt Felicia Zeller: „Souverän, warmherzig und witzig behandelt Annika Henrich existentielle Fragen nach Selbstbestimmung, Herrschaft, Leben, Tod. (…) Es geht um die größte aller Fragen: Was machen wir hier eigentlich? Wie verbringen wir die Zeit bis zu unserem Tod? Möglichkeiten schimmern auf, werden befragt, werden vernichtet. Annika Henrich kreiert Szenerien und ‚Leute‘, komisch und tragisch, typisiert und komplex zugleich. (…) Schauspieler:innen dürften von diesen Texten begeistert sein.“

Intendant Markus Trabusch äußert: „Ich freue mich sehr, dass das Leonhard-Frank-Stipendium nach acht Jahren zu einem festen Bestandteil der Förderung deutscher Gegenwartsdramatik geworden ist. Die stetig steigende Zahl an Bewerbungen zeigt die große Aufmerksamkeit, die dieses Stipendium bei Autorinnen und Autoren hat. Besonders habe ich mich gefreut, dass Felicia Zeller Teil der Auswahljury ist“.

Annika Henrich wurde 1990 in Gießen geboren. Sie studierte Szenische Künste an der Universität Hildesheim mit einem Auslandsaufenthalt an der Anadolu Üniversitesi Eskişehir (Türkei) und im Master Dramaturgie an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg.
Von 2019 bis 2022 war sie erst als Dramaturgieassistentin, dann als Dramaturgin am Schauspiel Hannover tätig.
Ihren ersten Theatertext Halt mich auf entwickelte sie 2019 im Rahmen des Hans-Gratzer-Stipendiums am Schauspielhaus Wien. Der Text gewann den Publikumspreis und wurde 2022 am Staatstheater Nürnberg uraufgeführt. Es folgte eine weitere Inszenierung in einer hybriden Koproduktion zwischen Theater unterm Dach, Berlin, und Monsun Theater, Hamburg. Ihr zweites Stück Jupiter brüllt ist seit Februar 2024 am Staatstheater Mainz in der Regie von Ran Chai Bar-Zvi zu sehen. Am Sonnenweg, ihr dritter Theatertext, erschien im Herbst 2023 und erzählt von den Möglichkeiten von Liebe und Autonomie im Alter. Seit 2020 wird Annika Henrich vom Verlag Felix-Bloch-Erben vertreten. Sie lebt und arbeitet als freie Autorin in Leipzig.
Die Leonhard-Frank-Stipendiatin Annika Henrich. Foto: Lukas Büsse

Laudatio von Felicia Zeller

In ihrem Stück AM SONNENWEG (Wenn Liebe dich findet auf der Gerontopsychiatrie) beschreibt Annika Henrich in einer Szene mit dem Titel „Sound“ die beständige Bewegung auf einer Abteilung für Demenzkranke. Nicht nur das Pflegepersonal dreht seine Runden, besonders die Patient:innen sind von einer Art Gehdrang ergriffen. Man könnte „im Sound ihrer Schritte (…) ihr Krankheitsbild und bei näherem Hinhören vielleicht ihre ganze Geschichte lesen.“

Die Station eines Pflegeheims, ein eher ungewöhnlicher Ort für eine Liebeskomödie, die zugleich auch Tragödie ist, wobei man mit dem Tod der Protagonist:innen hier insgeheim bereits rechnet. Denn erzählt wird von der Liebe zweier Protagonist:innen, wie sie bisher in der Geschichte des Dramas noch nicht vorgekommen sein dürften:
Jette und Rudolph sind dement, hochbetagt, pflegebedürftig. Und verliebt. Während die Pflegerin Jana diese Beziehung unterstützt, wollen die Angehörigen, insbesondere die Noch-Ehefrau des ehemaligen Pastors Rudolph, diese ultra späte Liebe unterbinden.
Souverän, warmherzig und witzig behandelt Annika Henrich existentielle Fragen nach Selbstbestimmung, Herrschaft, Leben, Tod.
Auch in „Jupiter brüllt (Der lange Weg zum Glücksplanet)“ befragt die Autorin in authentisch und zugleich absurd wirkenden Szenen die Möglichkeiten unseres Lebens.
Es geht um die größte aller Fragen: Was machen wir hier eigentlich? Wie verbringen wir die Zeit bis zu unserem Tod?

Möglichkeiten schimmern auf, werden befragt, werden vernichtet.

Annika Henrich kreiert Szenerien und „Leute“, komisch und tragisch, typisiert und komplex zugleich. Ein von seiner Ehefrau gecoachter Coach. Zwei Azubi-Astronaut:innen, die immer unsicherer werden, ob sie sich in einer Simulation oder einem echten Raumschiff befinden. Ein Ex-Alkoholiker, dem es nicht mehr gelingt, Alkoholiker zu werden. Ein Popcorn-Verkäufer, der einen oft gedachten, einleuchtend wirkenden Wunsch spontan erfüllt. Dass einfach alles einmal angehalten wird. Was aber am besten tun in dieser angehaltenen Zeit? „Wie lange wird das Anhalten anhalten?“

Schauspieler:innen dürften von diesen Texten begeistert sein.

(Felicia Zeller, 25.3.2024)