Ein Schulklasse hält zusammen

Uraufführung: Das schweigende Klassenzimmer nach Dietrich Garstka thematisiert politischen Ungehorsam unter Schülern in der DDR.
Im November 1956 sind die Nachrichten der brutalen Niederschlagung des Ungarn- Aufstands auch in der DDR angekommen. Die Schüler:innen der 12. Klasse in Storkow solidarisieren sich während des Unterrichts durch eine Schweigeminute mit den Aufständischen. Die DDR-Obrigkeit befindet: Dieser politische Ungehorsam muss verfolgt, die Anstifter sollen gefunden werden. Doch die Klasse hält zusammen. Um einer Bestrafung zu entfliehen, entscheiden sich die jungen Erwachsenen, die DDR zu verlassen.
Karsten Köhler, ehemaliger Schüler der Oberschule in Storkow und Mitglied eben jener 12. Klasse, war zum Gespräch mit dem Ensemble und dem Team der Produktion zu Gast im Mainfranken Theater.

Tom Klenk (Schauspieler): Ich möchte vorausschicken, dass ich dieses Projekt wirklich toll finde. Es ist so wichtig, dass wir uns gerade in diesen Zeiten mit dem Thema Diktatur befassen, dass Sie, Herr Köhler, da sind. Können Sie uns aus Ihrer Sicht erzählen, wie die Planung der Schweigeminute abgelaufen ist?

Karsten Köhler (KK): Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wir die Schweigeminute abhalten, Dietrich Garstka und ich haben es angeregt. Wir standen draußen vor der Schule, denn auch damals hatten wir schon die Befürchtung, dass die Wände Ohren haben. Dietrich hat gesagt, wir machen das gleich in der nächsten Stunde. Wenn wir gefragt werden, stehen wir auf, sagen nichts. Unser Lehrer hat für meine Begriffe sehr klug reagiert: Er hat das zunächst
hingenommen, und der Unterricht ging weiter. Wir haben eine zweite Schweigeminute gemacht, am nächsten Tag in einer Freistunde. Von denjenigen, die ganz hinten im Raum saßen, hatten wir zu Recht Kritik bekommen: Die wussten
gar nicht, warum sie nicht antworten sollten, sie hatten es nicht richtig mitbekommen. Uns war ganz wichtig, dass alle einverstanden waren. Wenn wir etwas machen, das der Regierung mit Sicherheit nicht passt, dann muss die Klasse
zusammenhalten. Das war unsere Rettung.

Eva-Lina Wenners (Schauspielerin): Hat die Nachricht, dass Ferenc Puskás gefallen war, die sich ja nachher als falsch herausstellte, eine Rolle bei der zweiten Schweigeminute gespielt?

Karsten Köhler: Diese Nachricht hatte der RIAS [Anm.: Rundfunk im amerikanischen Sektor] verbreitet. Puskás war Mitglied von Budapesti Honvéd, er war das, was Fritz Walter im Westen war, oder Beckenbauer jetzt, das Aushängeschild der Fußballmannschaft. Dann war er zur neu eingesetzten Regierung in Ungarn übergelaufen, also auf Seiten der Aufständischen. Dass er als einer der ersten erschossen wird, hätte jeder geglaubt. Die (Falsch-)Nachricht von Puskás’ Tod machte dann glaubhaft, dass die Schweigeminute keinen politischen Hintergrund hatte, sondern einen sportlichen.

Barbara Bily (Dramaturgin): Wie war die Stimmung damals, wie politisch war man denn wirklich?

Karsten Köhler: In der Landbevölkerung war man fast indifferent. Wer den Mund nicht aufgemacht hat, hatte Ruhe. Jeder wusste, wo das Stasi- Gebäude in der Kreisstadt Luckau war, da hat man einen Bogen drum gemacht. Ungarn war weit weg. Aber wir wollten wissen, was in der Welt passiert, und nicht nur in der sozialistischen Welt.

URAUFFÜHRUNG
Donnerstag, 22. Februar 2024 | 19:30 Uhr
Probebühne
WEITERE VORSTELLUNGEN
Dienstag, 27. Februar 2024 | 19:30 Uhr
Donnerstag, 14. März 2024 | 19:30 Uhr
Freitag, 15. März 2024 | 19:30 Uhr | für Schulen

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